Vitalstoff-Therapie oder Orthomolekulare Medizin

Veröffentlicht in Natur & Heilen 9/2021

Diese Medizin hat viele Gesichter, es gibt viel Diskussion, viele widersprüchliche Informationen, viel noch Unbekanntes und eine rasante Entwicklung – gerade im vergangenen Jahr. Noch nicht einmal einen einheitlich definierten Namen hat die Orthomolekulare Medizin, alias Vitalstoff-Therapie. Dabei ist sie von fundamentaler Bedeutung für die Gesundheit.


Sie reicht vom alten Hausrezept für Erkältungen, Zitrone mit Honig, bis zur modernen Aufnahme eines Vitamins als Nahrungsergänzung, das der Körper eigentlich selber bildet und kaum in der Nahrung enthalten ist, dem Vitamin D. Diese ist so umstritten, dass die grüne Ernährungs- und Landwirtschaftsministerin Glöckner es für den freien Verkauf sogar verbieten will. Manche Vitalstoff-Produkte gelten als Medikament, manche als Nahrungsergänzung, manche werden sogar als Kosmetikprodukte gehandelt.

 

Orthomolekular-Mediziner berichten einerseits von eindeutigen Statistiken, die in Mitten unseres Wohlstandes gravierende Mängel aufzeigen, während andererseits eine Versorgungslücke oft geleugnet wird. Wenn es um Vitalstoffe geht, leiden die Patienten an der völliger Vernachlässigung in der Diagnostik und dem Fehlen in Therapiekonzepten, so dass sie oft zur Selbstmedikation greifen, bei einem für Laien unüberschaubaren Markt. Es gibt teuerste Produkte über  Eigenvertriebswege im Internet bis hin zur Billigware aus dem Discounter Regal. 

Mangel oder Verkaufsschlager?

Kann das wirklich sein, dass in einem Land des Überflusses Mangel herrscht? 

Vielleicht gilt der Mangel auch nur für diejenigen, die sich sehr schlecht ernähren? Eine gute Bio- und Vollwertkost sollte doch eine sichere Vorsorge-Maßnahme darstellen, müsste man meinen. Ist es möglich, dass nicht einmal wer vollwertig und bio isst, vor Vitalstoff-Mangel gefeit ist? Die Statistiken geben ein bedenkliches Bild.

 

So heißt es im 14. Ernährungsbericht der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, der mitten in der Corona-Pandemie im November 2020 erschien, ohne dass er zu größerer medialer Beachtung führte: In deutschen Kliniken und Pflegeheimen sind bis zu 30 % der Patienten und bis zu 25 % der Bewohner mangelernährt. Dies ergab die Auswertung der nutritionDay-Daten, welche die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE) als Vorveröffentlichung zum 14. DGE-Verzehrsbericht herausgibt. 

 

So heißt es da: „Mangelernährung führt zu einem erhöhten Infektionsrisiko, beeinflusst die Wundheilung des Patienten negativ, verlängert Krankenhausaufenthalte und ist mit einem erhöhten Mortalitätsrisiko verbunden. Es handelt sich um ein unterschätztes öffentliches Gesundheitsproblem in Kliniken und Pflegeeinrichtungen und ist zu einer enormen wirtschaftlichen Belastung geworden.“

 

Zwei Bevölkerungsgruppen haben ein besonders hohes Risiko: stationäre Patienten und Bewohner von Pflegeheimen.

Da müssten doch gerade in Pandemie-Zeiten alle Alarmglocken schrillen und statt flächendeckender Virus-Tests hätte man flächendeckende Vitamin-Tests fordern müssen. Ganz klar wird hier eine „Risiko-Gruppe“ erzeugt, die so nicht sein müsste.

Das aktuellste Beispiel: Vitamin D

Aber es gilt für noch mehr Menschen, dass die Vitamin-Versorgung zumindest nicht als selbstverständlich zu betrachten ist.  Und dass es nicht nur an der Ernährung liegt. Siehe das Beispiel des Vitamin D, das der Körper nur minimal durch die Ernährung bekommt, sondern zu mindestens 80% selber bildet, bei ausreichender Sonneneinstrahlung und Fähigkeit dazu. In seinem Buch „Vitamin D – Die Heilkraft des Sonnenvitamins“ beschreibt der bekannte deutsche Orthomolekular-Experte Uwe Gröber, dass die Fähigkeit des Körpers, Vitamin D zu bilden, im Alter im Vergleich zur Kindheit bis zu 75 % abnehmen kann.

Die amerikanische Zeitschrift „The American Journal of Nutrition“ titelte schon 2016 „Vit D  deficiency in Europe - pandemic?“

 

Auch der oben zitierte Bericht zur Ernährungslage befindet: „Insgesamt 82% der Männer und 91% der Frauen erreichen die empfohlene tägliche Zufuhr von Vitamin D nicht. Der Mangel verschlechtert sich im Alter.“ Ob Mangel oder nicht – darüber braucht man wohl nicht mehr zu streiten.

Streit um die Bedeutung

Na und? Könnte man sagen, wird schon nicht so schlimm oder so wichtig sein. Jedenfalls verhalten sich viele Behandler und Patienten so, als ob es da keinen Bedarf gäbe. Doch wenn man sich die Fakten genauer anschaut, sprich die Wirkung der Vitalstoffe im Körper und die Langzeitwirkung eines Mangels, wird man eines besseren belehrt.

 

Ein Beispiel: Das Schweizer Zentrum der Gesundheit berichtet von einer Forschungsarbeit aus Boston: Dank Vitamin D sinkt eindeutig das Risiko, dass ein Krebs bösartig wird und metastasiert. Auch wenn das Vitamin nicht das Risiko an Krebst zu erkranken,  senke, so erlebe doch wer Vitamin D nimmt und Krebs bekommt,  seltener einen schweren Verlauf.

Wer setzt die Normwerte fest?

Die Berichte über Mängel, so wie der schon genannte „Nationale Verzehrsstudie“ der DGE, gehen bei der Feststellung von Mangel allerdings nicht von Blut oder Gewebeanalysen bei den Patienten aus, sondern von der Zufuhr durch die Nahrungsmittel. Nicht berücksichtigt ist, wie lange die Lebensmittel im Kühlschrank liegen und dadurch Ihren Vitamingehalt verlieren, was leider auch für Bio Obst und Gemüse gilt. Und sie orientieren sich an festgelegten D-A-C-H - Referenz-Werten. DACH steht für die Ernährungs-Fachgesellschaften in Deutschland, Österreich und Schweiz. Orthomolekular-Mediziner kritisieren aber die Werte, welche die DGE nennt. Diese reichen eventuell aus, um gravierende Erkrankungen mit manifesten schweren Symptomen zu vermeiden, so wie Rachitis oder perniziöse Anämie oder Skorbut – die drei historisch bekannten Mangelerkrankungen bei Mangel an Vitamin D, respektive Vitamin B 12 und Vitamin C.

 

Diese Werte berücksichtigten aber nicht die Bedeutung der Vitalstoffe für ein gesundes Immunsystem, für die Kraft des Organismus gegen die Entstehung von Krebszellen oder für ein gesundes Energielevel. Orthomolekularmediziner sehen die Herabsetzung der Immunabwehr, viele Burnouts und auch psychische Probleme im Mangel an Vitalstoffen begründet. Und sie setzen ganz andere Richtwerte als die DGE als Grundlage für anhaltende Gesundheit. Zwei wichtige Väter der Orthomolekularen Medizin Prof. Dr. Linus Pauling und Melvyn Werbach gehen in den meisten Stoffen wesentlich höher. Eines der extremsten Beispiele: der zweifache Nobelpreis-Träger Pauling verordnete hochdosiertes Vitamin C für die Therapie von Erkältungskrankheiten und Krebs und führte sich selber täglich18 g Vitamin C zu.

Diskussion über Vitamin C

Pauling entsetzte damals und heute Arzt-Kollegen, die doch von einem täglichen Bedarf unter einem Gramm ausgehen Die DGE empfiehlt eine tägliche Zufuhr von nur ca. 100 mg.

Mit seiner Empfehlung hob Pauling die Vitamin-Zufuhr aber auch von der reinen Bedarfsdeckung zu medikamentöser, medizinischer Maßnahme empor – ein viel weiteres Feld der Orthomolekular-Medizin, das über Ernährungs- und Nahrungs-Ergänzungs-Empfehlungen hinausgeht. 

 

Eine solch hohe Zufuhr lässt sich meist nur über Infusionen bewerkstelligen. Denn dafür bräuchte man 200 Zitronen! (Eine riesige Zitrone von etwa 100 g – meistens wiegen sie nur etwa 70 g – würde liefert etwa 50 mg Vitamin C) Acerola-Kirschen enthalten immerhin 1.700 mg pro 100 g. Deshalb werden heute auch gerne Vitamin C-Tabletten aus Acerola angeboten. Diese darf man aber nur so verzehren, dass man pro Einnahme maximal 200 mg aufnimmt, denn darüber sinkt die Verwertungsfähigkeit des Organismus. Die Resorptionsfähigkeit sinkt außerdem bei alten Menschen. Dafür steigt aber der Bedarf im Alter, bedingt durch chronische Erkrankungen und erhöhten Medikamentenverbrauch. 

 

Und dabei erzählt der Verzehrsbericht gerade bei Vitamin C von einer ausreichenden Bedarfsdeckung, die durch den Zusatz von Vitamin C in Getränken und anderen Nahrungsmitteln gegeben sei – aber eben bei einem Normwert von 100 mg täglich.

 

Die Mangel-Erscheinungen sprechen eine deutlich andere Sprache. Nachgewiesene Vitamin C-Mangelsymptome sind Müdigkeit, Schwäche, schlecht heilende Wunden, Infektanfälligkeit, Schleimhautblutungen, Zahnfleisch-Entzündungen, Katarakt, Krebs. Auch psychische Symptome zählen dazu wie depressive Verstimmungen, und Reizbarkeit.

 

Immerhin haben die Intensiv-Mediziner im vergangenen Jahr in ihre Covid-Behandlungsroutine hohe Gaben von Vitamin C und D eingeführt.

Was wird untersucht?

Doch die Prophylaxe hat immer noch nicht die öffentliche Beachtung, die ihr zusteht.  Wenn schon Testen inzwischen so eine Bedeutung bekommen hat, warum nicht Vitamin-Tests? Sie gehören selten zu Kassenleistungen, werden von Hausärzten und Fachärzten viel zu selten in Betracht gezogen und gehören schon gar nicht zu einer Routine beim Gesundheitscheck. Noch muss der Patient da Eigeninitiative und die eigene Geldbörse ergreifen.

 

Die Statistiken rechnen, was auf dem Speisezettel und in der Supplement-Kapsel enthalten ist. Sie berücksichtigen nicht, was kaputt geht beim Kochen, was weggeworfen wird, welche Qualität im Produkt ist, was der Körper verwertet, was also schließlich wirklich im Organismus seine Aufgabe erfüllt.

 

Darüber gäbe die Blutuntersuchung Auskunft. Zumindest zum Teil.

Leider sagt die Blutuntersuchung nicht immer aus, was tatsächlich in den Zellen zur Verfügung steht. Deshalb gehört der Befund  immer zusammen mit der Befindlichkeit. Andersherum berichten Orthomolekular-MedizinerInnen aus der Praxis, dass eine Anamnese zwar in eine bestimmte Richtung des Mangels weisen kann, die Blutuntersuchung dann aber auch ganz andere Bereiche sichtbar macht. Da zeigt sich wieder wie die Vitalstoffe voneinander abhängig sind. Deshalb ist die sorgfältigste Art, sie in der Therapie zu berücksichtigen, die Anamnese und den Laborbefund zu kombinieren.

Symptome, die nach Vitalstoffen rufen

Symptome, die nach Vitalstoffen rufen, sind sehr weit verbreitet. Allen voran die Erschöpfung, der Burnout, die Infektanfälligkeit und Rekonvaleszenzschwäche. Auch Schlafstörungen, nervliche Belastung, depressive Verstimmungen, Konzentrationsschwäche zählen dazu. Bei vielen Beschwerden ist der Blick auf die Vitalstoff-Versorgung noch keine Routine. Bei manchen Problemen hingegen liegt er auch dem Nicht-Mediziner nahe. Bei Haarausfall, Nagel- und Hautprobleme denken schon Laien einmal an ein Vitamin-Präparat. Bei Krämpfen greifen viele Menschen schon ohne ärztliche Verschreibung zu Magnesium-Tabletten.

 

Meistens geht es dann darum einen Mangel zu beheben. Leider rufen manche Symptome gewissermaßen in die Vergangenheit. Wenn sie erscheinen, dann hat man schon Jahrzehnte etwas übersehen: So bei Osteoporose oder bei Demenz. Auch Erkrankungen wie Katarakt, Herzkrankheiten oder Krebs führen die Orthomolekular-Mediziner auf langjährige Mängel zurück. Mancher Mangel ist nicht  leicht oder gar nicht mehr auszugleichen.

 

Deshalb ist es auch erschreckend, im Verzehrsbericht zu lesen, dass ausgerechnet bei Kindern in Tagestätten, besonders bei Mädchen, der Calcium-Bedarf zu 80% nicht gedeckt ist (siehe Tabelle). Nicht nur schadet es den Kindern im Wachstum, es wird auch die Grundlage für Knochenprobleme im Alter gelegt.

 

Es gibt hier bestimmte „Risikogruppen“, die einen besonderen Bedarf haben: Menschen, die viele Medikamente einnehmen, Raucher, Menschen in Wachstumsphasen, Schwangere, ältere Menschen, schlecht ernährte Kantinenbesucher, Heimbewohner oder Gefängnisinsassen.

Pioniere in der Psychiatrie

Interessanterweise gehören Untersuchungen an psychisch Kranken zur  frühesten Geschichte der Orthomolekular-Medizin. Es waren die beiden Ärzte Dr. Abram Hoffer und Dr. Humphrey Osmond, die in den 1950er Jahren die Anwendung von Vitamin C und B 3 bei schizophrenen Psychosen untersuchten. Ihre Hypothese war, dass eine bestimmte Substanz halluzinogen wirke, die beim Stoffwechsel von Adrenalin und Noradrenalin entstehen kann, das Adrenochrom . Dessen Bildung wiederum konnten sie durch hochdosierte Gaben von Vit C (über 1500 mg/Tag) und B 3 (über 3000mg/Tag) herabsetzen. Ihre Erfolge publizierten sie 1962. Ihre Dosierung lag um ein Vielfaches über den empfohlenen Höchstgrenzen, weswegen auch von „Mega-Dosis-Therapie“ gesprochen wurde.

 

1968 formulierte Linus Pauling sein Konzept von Orthomolekularen Psychiatrie, die zur Orthomolekularen Medizin erweitert wurde. Damit erweiterte er die Nährstoffzufuhr-Empfehlungen von der Vorbeugung oder Behebung eines Mangels bei gesunden Menschen zu einer individuellen und bedarfsgerechten Versorgung mit essenziellen Nährstoffen; von der präventiven, vorbeugenden Medizin zur supportativen, tragenden Vitalstoff-Versorgung.  Beide Bereiche werden in der Medizin, nicht nur von konventionellen Ärzten, noch sehr stiefkindlich behandelt und übersehen.  Dafür versorgen sich die Patienten dann selber, ein wenig nach pi mal Daumen und sehr viel wahrscheinlich nach Werbespots. 

 

Definition von Orthomolekularer Medizin nach Linus Pauling:

„Orthomolekulare Medizin ist die Erhaltung guter Gesundheit und die Behandlung von Krankheiten durch Veränderung der Konzentration von Substanzen im menschlichen Körper, die normalerweise im Körper vorhanden und für die Gesundheit erforderlich sind.“

 

Manche Gaben von Körperstoffen als medizinische Wirkstoffe sind bekannt und üblich: Etwa Insulin für Diabetiker, Vitamin D und Calcium bei Osteoporose, Vitamin A bei trockenen Augen, B 12 bei perniziöser Anämie. 

 

Neben der Tatsache, dass es sich nicht um körperfremde Arzneistoffe handelt, gibt es noch weitere Eigenschaften, welche die Orthomolekulare Medizin kennzeichnen und teilweise unterscheiden von anderen Medizin-Richtungen:

Es geht um rund 50 – 80 essentielle Nährstoffe: Vitamine, Mineralien, Spurenelemente, Antioxidantien, Phytamine, Essentielle Aminosäuren und Fettsäuren,  eventuell auch Enzyme und Probiotica. Alle miteinander Körpereigene Nährstoffe, die als „intelligent“ bezeichnet werden, da sie natürlicherweise genau „wissen“ wo und wie sie zu wirken haben für ein reibungsloses, gesundes Funktionieren überall im Körper, und weil keine dieser Stoffe er als der andere ist, sondern sie gerade im Zusammenspiel so wirksam sind.  Es ist eine überschaubare Anzahl im Gegensatz zu an die 100.000 pharmazeutischen und ungezählten naturheilkundlichen Mitteln.

 

Die Hochdosierungen, die im Krankheitsfall zur Anwendung kommen, werden mit dem Ziel, die maximale individuell nützliche Dosierung festzustellen, hochgetrieben - anders als sonst, wo man ja versucht mit der geringsten möglichen Dosis schon die erwünschte Wirkung zu erzielen.

 

Die sogenannte“ Mega-Dosis“ betrifft vor allem die wasserlöslichen B und C – Vitamine und auch das Vitamin E. Bei den fettlöslichen Vitaminen A, D und K  ist eine positive Wirkung von Hochdosierungen nicht bekannt, schreibt Orthomolekular-Spezialist Uwe Gröber und Leiter der Akademie für Orthomolekulare Medizin  in seinem Leitfaden über Orthomolekulare Medizin. Toxische Wirkungen von Überdosierungen von Vitaminen gibt es aber ebenfalls. Ebenso gelten die hohen Dosen nicht für Mineralstoffe, bei denen er im Gegenteil auf eine genaue Einhaltung der zulässigen Höchstmengen drängt. Tatsächlich zeigt die Verzehrsstudie der DGE auch „Überversorgung“ an, allen voran die mit Natrium durch zu viel Salz, deren Wirkung auf den Blutdruck nur zu bekannt ist.

Prävention und Kombination

Die Idee der Orthomolekularen Medizin ist, die Ursache einer Fehlfunktion zu behandeln und nicht die Symptome. Besonders bedeutsam ist somit die Verabreichung der Vitalstoffe als Präventionsmedizin. Synergien sind dabei erwünscht, denn bekanntlich greifen im Stoffwechsel viele Substanzen, Wirkmechanismen und Kreisläufe ineinander, so dass ein Mangel selten mit einer einzelnen Substanz zusammenhängt und besser in der Kombination behoben ist. Insbesondere gilt das auch für Antioxidantien, die sich gegenseitig ergänzen, so dass die kombinierte Einnahme mehrerer verschiedener besser wirken kann als eine höhere Dosis eines Einzelstoffes. Die Empfehlung einer Präventionsroutine lautet: ein hochwertiges Multivitamin- und Mineralpräparat und Omega3 Fettsäuren – am besten über den Tag verteilt einzunehmen, um eine höhere Resorption zu erreichen.

 

Ein anderes Merkmal dieser Medizin ist, dass hier die Verschreibungen für lange bis unbegrenzte Zeit gelten. Insbesondere im höheren Alter lässt sich anders dem Abbau der Aufnahmefähigkeit nicht beikommen. Vitamin D etwa kann der ältere Organismus nicht mehr  ausreichend synthetisieren, egal wie viel Sonnenlicht das Rentendasein hergibt. Ebenso ist der Bedarf an Vitalstoffen im Alter höher als in der Jugend: die Oxidative Belastung nimmt zu, die Resorptionsfähigkeit nimmt ab und die Nahrungsaufnahme reduziert sich insgesamt.

 

Bei alledem betrachtet sich die Orthomolekular-Medizin stets als Komplementär-Medizin. Bedeutsam ist dies nicht nur für konventionelle Ärzte, sondern auch für Therapeuten im Bereich der Regulationsmedizin, so wie Akupunkteure oder HomöopathInnen. Gerade letztere stellen in den letzten Jahrzehnten fest, dass die Patienten höhere Dosierungen und häufigere Wiederholungen der Mittel brauchen, was auf erhöhten Stress und schlechtere Ressourcen des Organismus hindeutet. Hahnemann selber legte großen Wert auf gute Ernährung als Begleitmaßnahme der Behandlung.

Freiwillige und unfreiwillige Supplemente

Tatsächlich nehmen laut  Verzehrsstudie  27,6% der Befragten Supplemente ein. Mit einem deutlichen Anstieg bei höherem Alter. Und insgesamt deutlich mehr bei Frauen.

 

Dabei kommt es sehr auf die Qualität der Produkte an. Die Experten raten entschieden dazu, nur natürliche Vitamine zu verwenden und nicht synthetisierte – die sehr billig in der Drogerie zu haben sind (aber auch teuer in der Apotheke). Auch muss man bei billigen Produkten immer nach der bioverfügbaren Dosis schauen und kommt dann eventuell darauf, dass diese Produkte auf eine bestimmte Tagesdosis umgerechnet gar nicht preiswerterer sind. Ein anderer Aspekt für die Qualität der Produkte sind die enthaltenen Zusatzstoffe, Konservierungsmittel, das Kapselmaterial, Füllstoffe, Trennmittel, Farbstoffe.

 

Inzwischen werden auch immer mehr Nahrungsmittel mit Zusatzstoffen versehen, etwa Vitamine in Fruchtdrinks, Calcium in Milch und Sojaprodukten, Jod im Salz.

 

Es sei dahingestellt, ob freiwillige Supplemente nicht besser als unfreiwillige sind. Sicher ist es wichtig, die individuelle Versorgung mit dem individuellen Bedarf abzugleichen. Das erfordert neben der genauen Bedarfsanalyse, einiger Rechnerei und Fachkompetenz.

 

Noch ist die Orthomolekulare Medizin so wie die Ernährungsmedizin nicht selbstverständlicher und wichtiger Teil jeder medizinischen und naturheilkundlichen Ausbildung. Doch es  gibt immer mehr Möglichkeiten der Fortbildung. Heilpraktiker-Schulen bieten Ausbildungen zum Vitalstoffberater; Labore und Produkt-Vermarkter bieten auch kostenlose Weiterbildungen, ebenso online-Vorträge; die Deutsche D.ON und die Österreichische AOM, Akademien für Orthomolekulare und Nutritive Medizin bieten anspruchsvolle Studiengänge an, ebenso die Akademie für Mikronährstoffmedizin. Es gibt viele Möglichkeiten. Hoffentlich werden sie immer mehr genutzt und führen zu einer besseren und ausgeglicheneren Versorgung.

 

Susanna Boldi-Labusga